Eizellen einfrieren – das müssen Sie wissen
Wenn aus irgendwelchen Gründen die Familienplanung auf später verlegt werden muss, bietet die sogenannte Kryokonservierung eine Alternative: Eizellen werden eingefroren, um zu einem späteren Zeitpunkt mithilfe künstlicher Befruchtung schwanger werden zu können. Was es damit auf sich hat, erklärt der Gynäkologe Dr. med. Florian Götze.
Den meisten Frauen ist ihre schnell sinkende Fertilität ab Mitte 30 nicht bewusst. Dem kann entgegengewirkt werden, indem Eizellen eingefroren werden. Diese können nach Jahren wieder aufgetaut werden und bilden so eine gute Basis für eine künstliche Befruchtung – respektive für die Zeugung eines gesunden Babys.
Das Problem
Der Erfolg einer Behandlung bei unerfülltem Kinderwunsch ist zu einem erheblichen Teil vom Alter der Frau abhängig. Der Faktor Alter ist im Gegensatz zu anderen Faktoren im Wesentlichen unbeeinflussbar und führt zum Beispiel dazu, dass der Behandlungserfolg einer In-Vitro-Fertilisation (künstlichen Befruchtung) bei älteren Patientinnen leider geringer ausfällt.
Gemäss einer aufschlussreichen Studie von über 20 000 Behandlungszyklen bei künstlicher Befruchtung konnte gezeigt werden, dass in einem biologischen Alter von unter 35 Jahren der aufeinanderfolgende Transfer von insgesamt fünf Embryonen bei zirka 54 Prozent der Paare zur Geburt eines Kindes führte. Nach dem 40. Lebensjahr liegt die Erfolgsquote bei der gleichen Anzahl zur Verfügung stehender Embryonen nur noch bei weniger als 20 Prozent.
Anders ausgedrückt müssen über 40-Jährige durchschnittlich dreimal mehr Therapien über sich ergehen lassen, um mit eigenen Eizellen im Rahmen einer IVF eine identische Schwangerschafts-Chance zu erzielen.
Häufig wird daher der Erfolg bei Frauen im fortgeschrittenen Alter leider ausbleiben. Die Ursache hierfür liegt an genetischen Defekten der Eizellen. Diese nehmen ab zirka 35 Jahren stetig zu und führen zu Fehlgeburten oder dem Ausbleiben einer Schwangerschaft.
Die mögliche Behandlung
Durch den Einfrierprozess kommen die Alterungsprozesse der Eizelle zum Erliegen. Die Eizellen behalten ihr Befruchtungspotential vom Zeitpunkt des Einfrierens.
Die einzelnen Behandlungsschritte gleichen weitgehend denen einer klassischen künstlichen Befruchtung: Nach einer medikamentösen Stimulation der Eierstöcke durch tägliche Spritzen über zirka zwei Wochen werden reife Eizellen in einem Kurzeingriff unter Narkose entnommen und bei Minusgraden eingefroren (sogenannte Kryokonservierung durch Vitrifizieren).
Erst diese in den letzten Jahren perfektionierte Technik des Einfrierens (Schockgefrieren) ermöglicht es, dass menschliche Eizellen ihr Befruchtungspotential nach dem Wiederauftauen erhalten können.
Durch die in unserem Zentrum angewendete innovative Methode sind über 99 Prozent der ursprünglich eingefrorenen Eizellen auch nach dem Auftauen vital und für die weitere Verwendung brauchbar.
Zu einem späteren, von der Patientin individuell festgelegten Zeitpunkt erfolgt die Fortsetzung der Behandlung: Nach der Befruchtung der aufgetauten Eizellen mit den Spermien des Partners im IVF-Labor erfolgt die Übertragung von Embryonen in die Gebärmutterhöhle der Frau mit der Absicht, dort eine Schwangerschaft zu erzielen.
Das Dilemma: Eizellen einfrieren bleibt stets die zweitbeste Option
Wenngleich mit dieser Technik die Realisierung eines späteren Kinderwunsches in gewissen engen Grenzen abgesichert werden kann, sollte sie weiterhin die Methode der zweiten Wahl bleiben.
Eine Garantie für den Erfolg der Therapie gibt es nicht. Eine Anwendung kommt daher nur bei Frauen in Frage, die einerseits zwar eine mittelfristig klar positive Absicht zur Familienplanung haben, bei denen andererseits jedoch kurzfristige Faktoren (wie beispielsweise gesundheitliche, berufliche oder soziale Gründe) einer sofortigen Realisierung des Kinderwunsches eindeutig im Wege stehen.
Das primäre Ziel aller interessierten Frauen sollte daher stets lauten, eine gesunde Schwangerschaft in jungen Jahren auf natürlichem Wege zu erzielen.
Der englische Begriff «social freezing» ist in unseren Augen unglücklich gewählt und möglicherweise irreführend. Die Einlagerung von Eizellen im Rahmen eines solchen Programmes erfolgt auf eigenen Wunsch einer jeden Frau und die Bestimmungen sehen hierzulande lediglich eine strikt persönliche (autologe) zukünftige Nutzung solcher Eizellen vor.
Es handelt sich bei dieser Massnahme also um eine Art exklusive Absicherung der individuellen Frau und nicht, wie der Name suggerieren könnte, um eine altruistische, gesamtgesellschaftliche Massnahme – wie zum Beispiel die klassische (allogene) Organspende oder Nabelschnurblutspende im Rahmen einer öffentlicher Nabelschnurblutbank.
Fruchtbarkeit verlängern
Es handelt sich um eine hocheffektive Methode, um die weibliche Fruchtbarkeit in gewissen Grenzen effektiv in die Zukunft zu verlängern. Dennoch gibt es mit ihr keine Garantie für das Erzielen einer zukünftigen Schwangerschaft.
Die Erfolgsrate der Behandlung wird in allererster Linie durch das Alter der Frau zum Zeitpunkt des Einfrierens der Eizellen bestimmt: Je jünger, desto höher die Chance auf eine Schwangerschaft.
Das Fach-Netzwerk Fertiprotekt empfiehlt, eine derartige Behandlung vor dem Erreichen des 35. Lebensjahres durchzuführen, da sie erfolgsversprechender als in späteren Lebensjahren ist: Das Befruchtungspotential einer Eizelle ist mit unter 35 Jahren dreifach so hoch wie mit über 40 Jahren.
Das Alter zum Zeitpunkt der Übertragung der aufgetauten Eizellen/Embryonen spielt eine untergeordnete Rolle und beeinflusst die Schwangerschaftsrate de facto nicht.
Die entnommenen Eizellen werden in flüssigem Stickstoff extrem schnell auf – 196º Celsius heruntergekühlt. Wir bewahren die Eizellen rundumüberwacht 5 Jahre sicher auf, bis Sie sich dafür entscheiden, Ihrem Kinderwunsch nachzukommen. Sie können die Konservierung jedoch auch einmalig um nochmals maximal 5 Jahre verlängern.
Von Seiten der nationalen Fachgesellschaften ist eine (Selbst-) Verpflichtung vorgeschlagen worden, die das Höchstalter für einen Embryotransfer von derart gewonnenen Eizellen vorsieht. Es sollen somit komplikationsbehaftete Risikoschwangerschaften in fortgeschrittenem Alter verhindert werden. Wir begrüssen und unterstützen dieses Vorhaben und werden das analoge Höchstalter bei der Behandlung in unserem Zentrum als Richtlinie festlegen.
Die Methode ist nach heutigem Stand gesellschaftlich nicht unumstritten. Ein Beratungsgespräch sollte stets die persönliche Situation im Einzelfall beleuchten und eine individuelle Entscheidung der Patientinnen ermöglichen.